Bahnhofstrasse 20 und Krongasse 14, das sind im Martini-Stadtplan von 1597 noch zwei Häuser aus Holz, die sich Dach und Innenhof teilen. 1792 erscheinen sie in Stein gebaut. Sie beherbergen während 130 Jahren Sattlereien, auch mal einen Coiffeur und ein halbes Jahrhundert lang eine Eisenhandlung.
1881 weicht der Innenhof einem Treppenhaus und eine Aufstockung mit zwei Dachterrassen geben dem Haus sein bis heute prägendes Aussehen.
1924 wird der Huthändler Johann Jenny Estermann Eigentümer der Liegenschaft. Er lässt durch die Architekten Tetmajer, Debrunner und Blankart die grosse Schaufensterfront errichten und macht aus dem Erdgeschoss und dem ersten Stock ein einziges, durch eine Holztreppe verbundenes Lokal. Noch im Herbst des gleichen Jahres wird die Chapellerie (französisch für Hutgeschäft) eröffnet.
Es ist die perfekte Zeit für Hüte. Die meisten tragen einen: Männer, Frauen, die Jungen auch mal nur eine Mütze, und alle haben zuhause noch einen zweiten und dritten Hut für jede Witterung, Jahreszeit und für besondere Anlässe. So hat es der frühere Marktfahrer von seinem ersten Hutgeschäft in Kriens und dann an der Obergrundstrasse 3 (später Kino Rex) mitten ins Quartier Kleinstadt am Tor zur Luzerner Altstadt geschafft.
1937 tritt Sohn Hans Jenny ins elterliche Geschäft ein, nachdem er das Hutmacherhandwerk in den italienischen Hutfabriken «Botta» und «Barbisio» gelernt hatte. Von seinem Vater übernimmt er nicht nur das Ladenlokal im Erdgeschoss, das Büro im ersten und das Warenlager im dritten Stock, auch die langjährige Mitarbeiterin Marie Furrer wirkt weiter als gute Seele des Hauses täglich im Laden. Sie frischt in der fensterlosen Werkstatt Filzhüte auf und stanzt die Initialen der Käufer in die Schweissbänder der Hüte. Schwere, dunkle Vorhänge verhüllen die in den Wandgestellen gestapelten Hüte, die in den 1970er-Jahren zusehends weniger Kundschaft finden. Melone und Zylinder sind längst nicht mehr in Mode. Marie hat meist nur noch die Galon-Rangabzeichen an die Offiziershüte der Armee zu nähen. 1980 muss «Chappe Hans» die Chapellerie nach 56 Jahren aufgeben.
In die umgebauten Räumlichkeiten ziehen die Modegeschäfte «Equipe 49» und «Boutique Castelli» ein. Ab 1987 gibt es bei «Huppla» Kinderkleider zu kaufen, später in der «Boutique zur Reuss» auch Mode für Erwachsene.
2023 wird aus dem ehemaligen Huthaus das «Café Chapeau». Und wie vor fast 100 Jahren strahlt von der Fassade in kupfernen Lettern: «Chapellerie».
Wir ziehen den Hut vor den Menschen hinter der Geschichte dieses Hauses und sagen: «Chapeau!».
Und: Santé! Zum Wohl.
Jonas Raeber, Frühling 2023
Quellen: Andy Raeber, Das Haus am «Platz», 2006, und eigene Kindheitserinnerungen
Bahnhofstrasse 20 und Krongasse 14, das sind im Martini-Stadtplan von 1597 noch zwei Häuser aus Holz, die sich Dach und Innenhof teilen. 1792 erscheinen sie in Stein gebaut. Sie beherbergen während 130 Jahren Sattlereien, auch mal einen Coiffeur und ein halbes Jahrhundert lang eine Eisenhandlung.
1881 weicht der Innenhof einem Treppenhaus und eine Aufstockung mit zwei Dachterrassen geben dem Haus sein bis heute prägendes Aussehen.
1924 wird der Huthändler Johann Jenny Estermann Eigentümer der Liegenschaft. Er lässt durch die Architekten Tetmajer, Debrunner und Blankart die grosse Schaufensterfront errichten und macht aus dem Erdgeschoss und dem ersten Stock ein einziges, durch eine Holztreppe verbundenes Lokal. Noch im Herbst des gleichen Jahres wird die Chapellerie (französisch für Hutgeschäft) eröffnet.
Es ist die perfekte Zeit für Hüte. Die meisten tragen einen: Männer, Frauen, die Jungen auch mal nur eine Mütze, und alle haben zuhause noch einen zweiten und dritten Hut für jede Witterung, Jahreszeit und für besondere Anlässe. So hat es der frühere Marktfahrer von seinem ersten Hutgeschäft in Kriens und dann an der Obergrundstrasse 3 (später Kino Rex) mitten ins Quartier Kleinstadt am Tor zur Luzerner Altstadt geschafft.
1937 tritt Sohn Hans Jenny ins elterliche Geschäft ein, nachdem er das Hutmacherhandwerk in den italienischen Hutfabriken «Botta» und «Barbisio» gelernt hatte. Von seinem Vater übernimmt er nicht nur das Ladenlokal im Erdgeschoss, das Büro im ersten und das Warenlager im dritten Stock, auch die langjährige Mitarbeiterin Marie Furrer wirkt weiter als gute Seele des Hauses täglich im Laden. Sie frischt in der fensterlosen Werkstatt Filzhüte auf und stanzt die Initialen der Käufer in die Schweissbänder der Hüte. Schwere, dunkle Vorhänge verhüllen die in den Wandgestellen gestapelten Hüte, die in den 1970er-Jahren zusehends weniger Kundschaft finden. Melone und Zylinder sind längst nicht mehr in Mode. Marie hat meist nur noch die Galon-Rangabzeichen an die Offiziershüte der Armee zu nähen. 1980 muss «Chappe Hans» die Chapellerie nach 56 Jahren aufgeben.
In die umgebauten Räumlichkeiten ziehen die Modegeschäfte «Equipe 49» und «Boutique Castelli» ein. Ab 1987 gibt es bei «Huppla» Kinderkleider zu kaufen, später in der «Boutique zur Reuss» auch Mode für Erwachsene.
2023 wird aus dem ehemaligen Huthaus das «Café Chapeau». Und wie vor fast 100 Jahren strahlt von der Fassade in kupfernen Lettern: «Chapellerie».
Wir ziehen den Hut vor den Menschen hinter der Geschichte dieses Hauses und sagen: «Chapeau!».
Und: Santé! Zum Wohl.
Jonas Raeber, Frühling 2023
Quellen: Andy Raeber, Das Haus am «Platz», 2006, und eigene Kindheitserinnerungen